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Die Indianer-Situation in den 60er/70er Jahren des 20. Jahrhunderts
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Wie die Indianer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebten, möchte ich hier kurz
umreißen. Hier schon einmal auf den Punkt gebracht, fristeten sie ein elendes Leben unter den
schlechtesten Lebensbedingungen und in größer Armut als sonst ein Bürger der USA.
Der Lebensstandard in den Reservationen
Einkommen
Das Pro-Kopf-Einkommen im Jahre 1968 liegt bei drei Viertel der Indianer in den Reservationen bei
weniger als 900 Dollar im Jahr, das sind ein Drittel weniger als der Durchschnitt in den USA in diesem
Jahr. Ein Jahr später liegt das durchschnittliche Einkommen einer Indianer-Familie bei 5.832 Dollar,
dass der Gesamtbevölkerung bei 9.590 Dollar.
Das durchschnittliche Einkommen einer in Montana lebenden Northern Cheyenne-Familie in einem
rohstoffreichen Reservation beträgt 2.600 Dollar, in Salt Lake sogar nur bei 2.325 Dollar im
Jahr. Damit fristen die Reservationsindianer ein sehr elendes Dasein. Ein Drittel dieses Einkommens
besteht aus Sozialhilfe und auf die Gesamtbevölkerung gerechnet, beträgt dieses Geld gerade
mal 15 Prozent.
Damit sind die Indianer in den USA die am meisten vernachlässigte und am schlechtesten behandelte
Minderheit in den gesamten Vereinigten Staaten. Zu dieser Ansicht kommt der US-Anthropologe Gerald S.
Nagel.
Arbeitslosigkeit
Wenn man nun die Arbeitslosigkeit näher betrachtet, sieht es auch nicht besser aus, die dreimal
höher liegt als in der Umgebung der Reservationen. Das Büro für indianische Angelegenheiten
(BIA) nennt eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von 42 Prozent, in zahlreichen Reservationen liegt die
Erwerbslosigkeit wesentlich höher. So beispielsweise bei den Choctaw im Bundesstaat Mississippi
erreicht sie sogar 86,1 Prozent, bei den Pueblos in Neumexiko 77 Prozent, bei den Blackfeet in Montana
72,5 und bei den Fünf Zivilisierten Stämmen (Cherokee, Chickasaw, Choctaw, Creek, Seminolen
im ehemaligen Indianerterritorium Oklahoma) bei 55 Prozent. Größtenteils arbeitslos waren
die Dakota - ganz katastrophal war die Situation in der Pine Ridge Reservation.
Bei einer Studie an 19.000 Indianern in Oklahoma kam heraus, dass von den 47,5 Prozent Arbeitslosen
mehr als die Hälfte keine Arbeitslosenunterstützung noch sonst ein Mittel aus Sozialfonds
erhalten.
In der Industrie fanden 1968 von 120.000 arbeitsfähigen Indianern einer Reservation nur 4.000
eine Beschäftigung. Neben der Landwirtschaft, die nur saisonbedingt Landarbeiter benötigt,
ist vor allem der Staat durch das BIA der wichtigste Arbeitgeber. 30 Prozent der Angestellten der
Papago-Reservation in Arizona arbeiteten für das Indianer-Büro und 17 Prozent im staatlichen
Gesundheitswesen. Das BIA hatte zum Stichtag 30. November 1969 8.250 Indianer in Vollbeschäftigung.
Davon allein 3.200 im staatlichen Gesundheitswesen. Ihre Arbeit wurde allerdings nur schlecht bezahlt.
Meist wurden die Indianer nur in den unteren Gehaltsklassen eingestuft und sehr selten gelang es einem
eine höhere Position zu erreichen, da diese von den Weißen besetzt war.
Armut und schlechter Gesundheitszustand
Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt um das Jahr 1970 bei etwa 44 Jahren - in einigen
Reservationen sogar um einiges darunter. Bei Kindern unter 14 Jahren ist die Sterblichkeitsrate
etwa 2,5-mal höher als im Durchschnitt in den USA. Armut und die schlechten Lebensbedingungen sind
der Hauptgrund für diesen miserablen Gesundheitszustand. Eine Studie über 5 Jahre ergab, dass
von 4.335 ins Krankenhaus eingewiesenen Indianern 616 unterernährt waren und an Krankheiten
litten, die in diesem Zusammenhang typisch sind, wie schwere Ernährungsstörungen, zu
geringe Körperhöhe und Eisenmangel.
Diese schlechte gesundheitliche Betreuung der Indianer gleicht eher einem unterentwickelten Land
als einem gut entwickelten Industriestaat wie den USA.
Schlechte Lebensbedingungen
Die Lebensbedingungen in den Reservationen in den 60er und 70er Jahren des 20.Jahrhunderts sind
katastrophal. 80 bis 95 Prozent der Behausungen sind baufällig, haben keine sanitären
Anlagen und sind überbelegt - hingegen 8 Prozent der Gesamtbevölkerung der USA in gleich
schlechter Situation leben.
Die Behausungen bestehen meist aus zwei Räumen und als Baumaterial dient Teerpappe, Lehm,
Adobe - getrocknete Lehmziegel oder Reisig. Über 50 Prozent der Indianer auf den
Reservationen haben kein Bad und die Außentoiletten sind in schlechtem Zustand. Ebenso
sind die meisten Wohnungen mit der öffentliche Wasserversorgung nicht verbunden. In elf
Bundesstaaten im Westen der USA müssen von 42.506 Indianern 81,6 Prozent mehr als eine Meile
laufen, um an Brunnen, Teichen, Wasserläufen oder Gräben an Wasser zu gelangen, welches
zu 77,8 Prozent dann auch noch verunreinigt ist.
Kulturelle Abgrenzung
Die kulturelle Abgrenzung einer Minderheit ist Rassismus - etwas zurückhaltender formuliert,
sind es zumindest rassistische Vorurteile. Was ist Rassismus? Er behandelt Menschen als einer
Gruppe zugehörig und unterstellt ihnen auf Grundlage dieser angenommenen Zugehörigkeit
unveränderliche Merkmale und Charakterzüge. Anhand dieser Einteilung bewertet der
Rassismus die Menschen und hierarchisiert Gruppen von Menschen. Rassistische Theorien ... dienen der
Rechtfertigung von Diskriminierung und Feindseligkeiten, der Kanalisierung negativer Emotionen und
fördern das Überlegenheitsgefühl von Mitgliedern einer Gruppe. Rassismus findet sich
in Politik, im Alltag, wie auch in der wissenschaftlichen Tradition. Die konkreten Auswirkungen von
Rassismus reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Sklaverei, Rassentrennung, Rassenhass
und der daraus resultierenden Gewalt ... bis zum Völkermord.
Wenn man diese Beschreibung von Wikipedia (kursiver Text) aufmerksam liest, ist es doch Rassismus -
Diskriminierung und Feindseligkeiten gegenüber einer Gruppe, ein Überlegenheitsgefühl
von Mitgliedern einer Gruppe - hier die der Weißen, und kommt in Politik und ebenso im Alltag
vor.
Die kulturelle Abgrenzung der Indianer wurde von staatlichen Behörden und von Wissenschaftlern
der USA als das sogenannte Indianer-Problem bezeichnet, dass darin bestehen soll, dass die indianische
Kultur ein Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung darstellt und dies Arbeitslosigkeit und Elend
bewirkt. Der Staat kontrolliert durch das BIA das gesamte Leben in den Reservationen. Dies nimmt
den Indianern die Möglichkeit aus der Arbeitslosigkeit und aus dem Elend herauszukommen, obwohl
mit dem Gesetz zur Reorganisation der Indianer von 1934 die Selbstverwaltung zugestanden wird. Die
Indianer sind auch von der Herkunft nicht minderwertig oder von den Erbanlagen unvollkommen, sondern
mächtige Konzerne beuten das den Indianern zugewiesene und das durch Verträge geschützte
Land aus, wie große Erdölgesellschaften, mächtige Kohle- und Kupferkonzerne,
Energiegesellschaften... An der Misere der Indianer sind sie selbst nicht Schuld, sondern wenn sie an
den Einkünften für die Ausbeutung der Bodenschätze in ihren Reservationen beteiligt
würden, könnten sich ihre wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse wesentlich
verbessern. Auch die Hautfarbe, die Rassendiskriminierung, die schlechte Bildung und Ausbildung, die
daraus resultierende Arbeitslosigkeit und das schlechte soziale Umfeld sind Ursache ihrer schlechten
allgemeinen Lage.
Die Indianerbewegung der heutigen Zeit formuliert die Lage der nordamerikanischen Indianer mit dem
Wort «Ungerechtigkeit» und dies hat nichts mit einem Indianer-Problem zutun.
Indianer-Bewegung
Die politischen Aktionen nahmen Ende der fünfziger Jahre zu. Hintergrund dieser Aktionen bildeten
die Themen der Landfrage, kulturelle Rechte und Gerechtigkeit.
1960 wurde der Nationalrat der indianischen Jugend NIYC, der als erste Jugendprotestgruppe alle
Bundesstaaten einschloss, gegründet. Der NIYC wurde aufgrund der Bevormundung und der damit
einhergehenden Unzufriedenheit der Indianer seitens des Büro für Indianische Angelegenheiten
durch den Nationalkongress Amerikanischer Indianer NCAI ins Leben berufen.
Im Jahre 1964 unterstützte der NIYC im US-Bundesstaat Washington den Kampf um die Sicherung von
Fischereirechten. Das Oberste Gericht dieses Staates hatte den Indianern das vertraglich zugesicherte
Recht auf Fischfang verboten. Im selben Jahr kam es noch zur Gründung der kämpferischen
Vereinigung für das Überleben der amerikanischen Indianer. Zwei Jahre später entstand
als Ergebnis regionaler Protestaktionen die Föderation der Ureinwohner von Alaska, der sich
Indianer, Inuits und Aleuten anschlossen. Das wichtigste Ziel dieser Dachorganisation bestand in der
Geltungsmachung des Anspruches auf das Territorium von Alaska, um damit den Raub an Boden und
Rohstoffen zu verhindern.
Indianer in den Großstädten
1950 lebten mehr als 50 Prozent der Indianer in den Vereinigten Staaten in Reservationen. Zehn Jahre
später - 1960 - sinkt der Anteil der Bevölkerung auf 43 Prozent und 1970 sogar nur noch 39
Prozent. Nun könnte man davon ausgehen, dass der Bevölkerungsanteil der Indianer in den
Reservationen und den ländlichen Gegenden zurückgeht, Grund dafür könnten auch die
verschiedenen Methoden der Volkszählungen sein. Die Zahl der außerhalb der Reservationen
lebenden Indianer im Verhätnis zu denen in der Stadt wurde aber zu niedrig angesetzt, was das
Ergebnis erheblich verzerrte. In einer vom BIA veröffentlichten Statistik wird die Zahl der Indianer
in beziehungsweise nahe der Reservationen und in Dörfern leben mit 65 Prozent angegeben und der
Rest in den Großstädten.
Oftmals blieb dem Indianer aber auch keine andere Gelegenheit als in die Großstadt abzuwandern.
Dort konnten sie nach Arbeit suchen oder staatlich finanzierte Ausbildungsplätze erhalten. Jedoch
blieben sie immer in den untersten Schichten einer Großstadt zumeist als Arbeitsloser oder
Gelegenheitsarbeiter. Als durchschnittliches Einkommen erhielten die Frauen 2.023 Dollar und die
Männer 4.568 Dollar. Ihre Gelegenheitsarbeit waren Hilfsarbeiten, die zu 45 Prozent in der
materiellen Produktion - als materielle Produktion gilt die Sachgüterproduktion in Land- und
Forstwirtschaft, Bergbau, Industrie, Baugewerbe und produzierendes Handwerk etc. - stattfanden, von
denen 35 Prozent wiederum Frauen waren. In den Großstädten sind die Ureinwohner in
sozialer und kultureller Hinsicht isoliert und werden mit Not, Elend, Arbeitslosigkeit und mit
Rassismus konfrontiert. Das größte Problem ist die Zersplitterung wegen ihrer
unterschiedlichen Herkunft. Großstädte mit der zahlenmäßig stärksten
Indianer-Bevölkerung sind Los Angeles und Long Beach in Kalifornien mit etwa 60.000 Personen.
Geringer sind die Zahlen in New York, San Francisco, Chicago, Tulsa (Oklahoma) und Tucson (Arizona).
Die Inuit in Alaska verlassen ihre Dörfer und ziehen in regionale Zentren wie Bethel und Nome.
Literatur:
Indianer in den USA - Unterdrückung und Widerstand, Steve Talbot, Dietz Verlag, Berlin 1988 |
Geschichtliche Ereignisse: |
1963 |
Der Bundesstaat Washington verbietet den Indianern den Fischfang |
1968 |
Der AIM wird in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gegründet. |
1969 |
Die Gesellschaft für die Geschichte der nordamerikanischen Indianer
gründet das erste indianische Verlagshaus The Indian Historian Press
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November 1969 |
Im November beginnt die Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel
Alcatraz in der Bucht von San Francisco, welche 1,5 Jahre dauert. |
1970 |
Sioux verschiedener Reservationen besetzen den Mount Rushmore und berufen
auf den Vertrag von Fort Laramie 1868 geschlossenen Vertrag, dass die Black Hills ewig den Indianern
zugesprochen sind. |
September 1971 |
In Akwesasne eröffnen traditionalistisch gesinnte Indianer eine
Survival School - eine Überlebungsschule. |
26. Februar 1975 |
54.530 Hektar Land der Pine Ridge-Reservation werden vom Innenministerium
beschlagnahmt, um auf diesem Territorium nach Uran zu suchen. |
16. November 1976 |
Von den Abbaugesellschaften, die auf dem Land der Chippewa in Wisconsin nach
Bodenschätzen suchen, fordern der Stamm 6 Millionen Dollar. |
1977 |
Der im Jahr 1974 gegründete Internationale Vertragsrat der Indianer
IITC erhält als nichtstaatliche Organisation Beraterstatus an der UNO. |
20. Juli 1977 |
Die Gründung einer eigenen Energiegesellschaft, die Bodenschätze
auf den Reservationen in eigener Verantwortung abbauen, beschließen 22 Stämme des Nord- und
Südwestens. |
10. August 1979 |
Indianer aus Nordamerika nehmen am Festival der Urvölker in Karesuvanto
in Finnland teil. |
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