Die Indianer Nordamerikas - Die Geschichte im 20. Jahrhundert
Die Indianer im 20. Jahrhundert - 1900 bis 1999
Einst gehörte den Indianern Gesamt-Amerika. 1990 gehören den Indianern noch
etwa 22 Millionen Hektar in den USA. 35 Prozent der 1.959.234 (1990) Indianer leben in
diesen Gebieten - meist Reservationen. Die Ureinwohner machen noch nicht einmal 1 Prozent
der Gesamtbevölkerung der Vereinigten Staaten aus. 500 Stämme sind vom Bund und
den einzelnen Staaten anerkannt worden.
Die Indianer in den USA
Durch den starken Rückgang der Indianer infolge der gegen sie geführten
Kriege und anderer Dezimierungsmaßnahmen (wie z. B. Verbreitung von
Infektionskrankheiten der Weißen gegen die der Körper des Indianer keine
Abwehrkräfte besaß) gab es um 1900 in den USA schätzungsweise 250.000
registrierte Indianer.
In der vorkolumbischen Zeit wird die Anwesenheit von ungefähr 800 Stämmen
auf dem Territorium der USA angenommen. Heute gibt es noch 279 (1972) offiziell
anerkannte Indianerstämme. Die heute bekannten Stämme gab es schon in
historischer Zeit oder sind aus ihnen hervorgegangen und haben eine selbstständige
Untergruppe gebildet. Die anderen Stämme sind entweder ausgerottet wurden oder
gingen stark dezimiert in andere über.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Indianer in den USA in Reservationen
eingepfercht. Sie standen dort unter der Kontrolle von Regierungsvertretern. Diese
setzten Gesetze durch und hatten die Aufgabe die Nutzung des Landes zu kontrollieren,
verwahrten Stammesfonds und zahlten die vertraglich zugesicherten Renten aus. Bei der
Verteilung der den Indianern zugeteilten Versorgungsgütern kam es immer wieder zu
Skandalen, weil korrupte Agenten die Indianer tyrannisierten, sie betrogen oder sie
durch Bestechung um ihr Land brachten. Im Jahre 1905 gelang es der Regierung durch eine
großangelegte Reform des Indian Service die Korruption zu besiegen. 1911 wurde
der "American Indian Society" gegründet. Er setzte sich zum Ziel, für den
Schutz und die Erhaltung der indianischen Kultur zu sorgen.
Anfang des 20. Jahrhunderts ging man dazu über, die Indianer auf euro-amerikanischen
Standard zu bringen, um sie in die Gesellschaft der Weißen einfügen zu
können. Woher sollten aber die Indianer, die in ihren Reservationen lebten und mit
ihren alten Traditionen verwurzelt waren, von dem "Schönen" des American Way of Life
wissen. Für die Regierung stand fest, dass das Indianerproblem nur zu lösen ist,
wenn man aus Jägern Bauern macht.
Auch ihre religiösen und kulturellen Handlungen - von den Beamten der Regierung
als "heidnische Zeremonien" mißachtet - waren den Indianern unter Androhung von
Strafen (Einbehalten der zustehenden Essenrationen oder Gefängnis) untersagt.
Man wollte die "Wilden" in die amerikanische Gesellschaft einfügen. Ferner hatte man
vor, die Stammesorganisation der einzelen Stämme zu zerschlagen.
Um die Indianer an die weiße Kultur anzupassen, schickte man die Kinder (manche
waren erst vier Jahre alt) in Internate fernab ihrer Familie, wo sie alles zu verachten
lernten was sie liebten. Eltern, die sich weigerten, ihre Kinder in Schulen
unterzubringen, wurde androht die Essensrationen zurückzuhalten. Die Kinder waren
zwischen acht und neun Monaten von ihrer Familie getrennt.
1928 schockierte der Bericht der Meriam-Untersuchungskommission, der die Belange der
Indianer untersucht hatte. Die gemachten Erkenntnisse waren erschreckend: Noch vier
Jahre nach der Zuerkennung der vollen Bürgerrechte an das indianische Volk leben
sie unter den schlimmsten Bedingungen. Sie waren einst auf völlig unfruchtbaren
Boden angesiedelt worden. Sie finden keine Arbeit und sind somit auf die volle
Unterstützung des BIA angewiesen. Durch diese außergewöhnliche schlechte
Lebenslage gibt es Gewalt in der Familie, Alkoholismus und eine hohe Selbstmordrate.
Die gesamte Indianerpolitik war damit gescheitert.
Durch die Weltwirtschaftskrise 1929 kam neuer Wind auf, der Reformen in der
Indianerpolitik brachte. Im Jahre 1934 waren zwischen den Indianern und der Regierung
der Vereinigten Staaten einige Fortschritte in ihren Beziehungen zu verzeichnen. Der
Präsident Theodore Roosevelt und der Indianerbeauftragte John Collier sorgten
dafür, dass ein neuer Artikel für das Grundgesetz verabschiedet wurde, der
"Indian Reorganization Act". Damit endete die Etappe der nordamerikanischen
Indianerpolitik, in der die Indianer beträchtliche Verluste an Reservationsgebieten
hinnehmen mußten und auch ihre gesellschaftlichen und kulturellen Traditionen
waren weitgehend zerstört worden. Ab jetzt wurde das Reservationsland wieder
Eigentum der Stämme und ihre Formen der Stammesorganisation wiedereingeführt.
Diese Maßnahmen hatten das Ziel, den Stämmen eine größere
Selbstverwaltung zu geben.
Am zweiten Weltkrieg nahmen 30.000 Indianer teil. Nach diesem Krieg im Jahre 1953
versuchte die Regierung sich den Verpflichtungen gegenüber den Indianern zu
entledigen und unterstellte die Reservationen der Rechtssprechung der einzelnen
Bundesstaaten. Auf diese Weise wollte man die "Privilegien einer anderen Epoche", wie
man die Politik der Indianerreservationen nannte, auf schnellsten Weg abschaffen.
Die Regierung wollte eine Endlösung, auch Termination genannt, erreichen. Die
Termination sollte bedeuten, alle Indianerreservationen aufzulösen. Zwischen den
Jahren 1954 und 1960 wurde diese Politik bei 61 Stämmen vollzogen. Durch
Protestaktionen und Demonstrationen konnte aber die Ausweitung der Auflösung
verhindert werden.
In den 60er Jahren bildete sich bei den Indianern eine militante Bewegung heraus.
Junge Indianer, welche an Universitäten ausgebildet worden, verurteilten die
Kompromißbereitschaft der gewählten lokalen Repräsentanten in den
Reservationen und die Passivität der Indianer-Organisationen. 1961 gründen
indianische Studenten den "National Indian Youth Council" (NIYC). Sein Ziel ist es,
die ärmsten Stämme zu schützen und das indianische Kulturgut wieder
höher zu bewerten. Ferner forderten sie von der Regierung die Einhaltung und
Anerkennung der geschlossenen Verträge als Grundlage. Der NIYC organisierte
Manifestationen wie Sit-ins, welche von den Medien übertragen wurden.
Die von sozialen Auseinandersetzungen geprägten 60er und 70er Jahre tragen dazu
bei, dass sich die "Red Power Bewegung" formiert. Sie ist keine Partei noch eine
Organisation, sondern ein Symbol der Indianerbewegung. Die Mitglieder der militanten
Gruppen sind aber mit den Ergebnissen nicht zufrieden und schließen sich 1968 zum
"American Indian Movement" (AIM) zusammen. Ihre Auftritte haben symbolischen Charakter.
1969 besetzen sie die Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco.
Bei dieser Protestaktion fordern sie von der Regierung das Recht der Indianer auf
Grundbesitz. 1972 nehmen sie das Büro der BIA in Washington in Besitz. Wiederum ein
Jahr später leisten sie der Polizei in Wounded Knee 71 Tage Widerstand. Ihre
Aktionen finden in der Bevölkerung großen Anklang. Im Jahre 1978 organisiert
der AIM den langen Marsch "Longest Walk" von Kalifornien nach Washington. Hierbei wollen
sie Amerika und der Welt auf die verlorene Souveränität der indianischen
Völker aufmerksam machen.
In den 80er Jahren erlahmte der Widerstand, obwohl das Indianerproblem noch lange nicht
gelöst ist.
Die zugewiesenen Reservationen durften die Indianer nach Abschluß der
Überführung nicht verlassen. Heute dürfen sie die Reservationen verlassen,
wann es ihnen beliebt.
In den USA gibt es 307 Reservationen, die auf einer Fläche von etwas mehr als
200.000 km2 liegen. Zwischen den 50er und 70er Jahren wurden auf 70
Reservationen reiche Vorkommen an Erdöl, Erdgas, Uran, Zink, Blei, Vanadium, Kupfer,
Phosphat, Gips und Kohle gefunden. Das BIA veranlaßte die Indianer an amerikanische
Unternehmen Schürf- und Ausbeutungslizenzen zu vergeben. Mit den daraus
alljährlich zufließenden Gelder konnte einige Stämme die Lebenslage
ihrer Mitglieder verbessern. Aber durch die steigende Bevölkerungszahl in den
Reservationen müssen immer mehr Indianer außerhalb nach Arbeit suchen.
Nur wenige haben als Spezialarbeiter, so die irokesischen Hochbau-Stahl-Arbeiter, einen
anerkannten Arbeitsplatz erringen können.
In den Reservationen fühlt sich der Indianer trotz immer noch vorhandener Armut
und trotz des schweren Kampfes um seinen Lebensunterhalt dennoch geborgen und
geschützt. Hier gelten für sein Leben zugeschnittene Rechts- und
Verhaltensnormen. Für deren Einhaltung sorgen die erstarkten Stammesführer und
-räte im Interesse aller Stammesmitglieder.
Jahr
Ereignis
1911
Ishi, der letzte Steinzeit-Indianer Nordamerikas flüchtet sich
in die Zivilisation der Weißen (Kalifornien).
1924
Erlaß des Synder Gesetzes, mit ihm erhalten alle Indianer der
USA den Status Staatsbürger. Als Folge müssen die Indianer Steuern zahlen,
obwohl es ihr ureigenes Land ist.
1926
Herausgabe der ersten indianischen Zeitung "Wassaja" (Rauchsignal)
durch die Cherokee.
1934
Der Indian Reorganization Act ermöglicht es den Stämmen
sich zu rechtsfähigen Gemeinschaften zusammenzuschließen und eine beschränkte
lokale Selbstverwaltung auszuüben
1934
Gesetz zur Reorganisierung der Indianer (Wheeler-Howard-Gesetz) wird
erlassen. Das parzellierte Indianerland wird zusammengelegt.
1943
Gründung der Navajo-Zeitung "Adahooniligii" (später: "Navajo
Times").
1944
Gründung des Nationalkongresses Amerikanischer Indianer (NCAI).
ab 1953
Weiterer Versuch der US-Regierung die Reservationen und Stämme
aufzulösen im Rahmen der Termination Policy scheitert und muß aufgegeben werden.
1958
Alaska wird 49. Bundesstaat der USA. Die dort lebenden Indianer unterstehen
der USA-Gesetzgebung.
1968
Die indianische Widerstandsbewegung American Indian Movement (AIM) wird in
Minneapolis gegründet. Clyde Bellecourt und Dennis Banks sind daran beteiligt.
1969
Gründung des ersten indianischen Verlagshauses The Indian Historian
Press durch die Gesellschaft für Geschichte der nordamerikanischen Indianer.
1969
Beginn der Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz in der
Bucht von San Francisco.
1970
Juli: Der Kommissar für Indianerangelegenheiten Louis Bruce, kündigt
die Veränderung des BIA von einem "Verwaltungsamt" zu einer dienstleistungs-orientierten
Agentur an, um die Selbstverwaltung der Indianer zu unterstützen.
1970
Dezember: Der Senat beschließt die Rückgabe des den Indianern
heiligen Blue Lake und weiterer 10.400 Hektar Land an die Taos Pueblo.
1971:
19. Januar: Mordanschlag auf Hank Adams, Führer der Vereinigung für
das Überleben der amerikanischen Indianer, eine Vereinigung, welche für die Fischereirechte
der Indianer eintritt.
1971
11. Juni: Eine Streitmacht von Polizeikräften und Einheiten der
Küstenwache zwingt die sich als Indianer aller Stämme organisierten Indianer,
die Insel Alcatraz nach 19 Monaten zu räumen.
1971
Nach Entdeckung großer Ölvorkommen in Alaska verlieren die
Indianer und Eskimos durch den Alaska Native Claims Settlement Act den weitaus größten
Teil ihres Landbesitzes, wofür sie eine Entschädigung erhalten.
1972
Protestmarsch von Indianer nach Washington und zeitweise Besetzung des
Bureau of Indian Affairs.
1973
26. Februar: Die Bürgerrechts-Organisation der Oglala Sioux unter
Führung von Pedro Bissonette und traditionelle Sioux-Häuptlinge beschließen,
die AIM um Hilfe zu bitten. Es wird der Beschluß gefaßt, Wounded Knee zu besetzen.
1973
27. Februar: 300 bis 400 Oglala Sioux besetzen die kleine Ortschaft
Wounded Knee. Es werden 3 Punkte gefordert:
1. Überprüfung der Akten des BIA und des Innenministers.
2. Auflösung des BIA-Stammesvorstandes auf der Pine-Ridge-Reservation.
3. Untersuchung der 371 gebrochenen Verträge.
1973
17. April: US-Posten eröffnen das Feuer. Der Apache Frank Clearwater
wird tödlich getroffen.
1. Überprüfung der Akten des BIA und des Innenministers.
2. Auflösung des BIA-Stammesvorstandes auf der Pine-Ridge-Reservation.
3. Untersuchung der 371 gebrochenen Verträge.
Der indianische Bevölkerungszuwachs in den USA ist nach den Volkszählungen in den Jahren 1970 und 1990 deutlich zu erkennen | |||||
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Stamm | 1970 | 1990 | Stamm | 1970 | 1990 |
Cherokee | 66.150 | 308.132 | Tlingit | 7.5433) | 13.925 |
Nahaho | 96.743 | 219.198 | Seminole | 5.055 | 13.797 |
Chippewa | 41.946 | 103.826 | Athapasken | 2.125 | 13.738 |
Sioux | 47.825 | 103.255 | Cheyenne | 6.872 | 11.456 |
Choctaw | 23.5621) | 82.299 | Comanche | 4.250 | 11.322 |
Pueblo | 30.971 | 52.939 | Paiute | 4) | 11.142 |
Apache | 22.993 | 50.051 | Yaqui | 3.856 | 9.931 |
Irokesen | 21.473 | 49.038 | Osage | 6.9495) | 9.527 |
Lumbee | 27.520 | 48.444 | Kiowa | 4.337 | 9.421 |
Creek | 17.0042) | 43.550 | Delaware | 2.926 | 9.321 |
Blackfeet | 9.921 | 32.234 | Shoshoni | 4) | 9.215 |
Chickasaw | 5.616 | 20.631 | Crow | 3.779 | 8.588 |
Potawatomi | 4.626 | 16.763 | Cree | 2.169 | 8.290 |